Das Engineering komplexer Cyber-Physical Systems erfordert eine große Menge von Werkzeugen, die - integriert in sogenannte Entwicklungsumgebungen - die Erstellung der Anforderungsspezifikation, den Entwurf, die Implementierung, die Integration und die Validation solcher Systeme unterstützen. Abhängig vom konkret zu entwickelnden System, dessen Safety-Level, eventuell nötigen Zertifizierungsanforderungen sowie herstellerspezifischen Prozessgestaltungen, kommen hier eine Fülle heterogener Software-Werkzeuge zum Einsatz, deren Integration in durchgängige Entwicklungsumgebungen aufgrund fehlender Interoperabilität oft einen ähnlich hohen Aufwand darstellt, wie das Engineering des zu entwickelnden Systems selbst.
Die Interoperabilitäts-spezifikation IOS
Um die Integration der Entwicklungswerkzeuge zu erleichtern, wurde in einer Reihe hocherfolgreicher FuE-Projekte eine offenen Interoperabilitätsstandard für Entwicklungswerkzeuge geschaffen, die sogenannte IOS (Interoperability Specification).
Der Ausbau, die Pflege, Standardisierung und industrielle Anwendung der IOS sind langfristige Aktivitäten, die zum einen sowohl bzgl. der benötigten Zeitspanne als auch bzgl. des nötigen Aufwands den Rahmen eines einzelnen Projekts sprengen und die zum anderen auch außerhalb von geförderten Projekten stattfinden. Um die verschiedenen Aktivitäten über die Laufzeit von Projekten hinaus zu bündeln und kontinuierlich fortzuführen, entwickelt das europäische Projekt CP-SETIS (Towards CyberPhysical Systems Engineering - Tools Interoperability Standardisation) ein Modell zur nachhaltigen Verwaltung der IOS, das sogenannte IOS Coordination Forum, kurz: ICF (siehe Abbildung rechts).
IOS Coordination Forum
Das IOS Coordination Forum ist eine für alle an der IOS beteiligte Partner offene Institution, die als neutrale Instanz für Endanwender, Zulieferer, Tool-Hersteller, Forschungsinstitute und Standardisierungsgremien die Verwaltung und Weiterentwicklung der IOS sowie die Bündelung von Informationen gewährleistet. Die beteiligten Partner und Experten kommen aus der Industrie oder Wissenschaft und sind über Verbundprojekte oder eigenständige Aktivitäten an der (Weiter-)Entwicklung der IOS beteiligt. Gerade der Wissenstransfer zwischen allen Beteiligten ist enorm wichtig, da die IOS viele verschiedene Partner betrifft und die Aktivitäten entsprechend abgestimmt werden müssen. Das ICF unterstützt Gespräche und Abstimmungen zwischen den Partnern durch Workshops und Meetings. Die Basis aller ICF Aktivitäten ist die sogenannte IOS-Database, in der erstmalig alle der in den verschiedenen Projekten entwickelten Teile der IOS Spezifikation an einem Platz gesammelt und für alle Partner zugänglich gemacht werden.
Um eine transparente, möglichst leichte Organisationsstruktur zu schaffen, in der sich alle Partner auf Augenhöhe treffen und absprechen können, wird das ICF nicht als rechtlich eigenständig umgesetzt, sondern in einer bereits etablierten Institution verankert. CP-SETIS hat für die Auswahl der Ankerinstitution den Kriterienkatalog erarbeitet. Derzeit laufen, ebenfalls im Rahmen von CP-SETIS, Evaluierungsgespräche mit möglichen Trägern, wie z.B. mit ARTEMIS-IA.
ICF Aufgaben und Vorteile
Das ICF wird zunächst die Koordinierung und Harmonisierung von IOS-bezogenen Aktivitäten ermöglichen. Dies unterstützt auch die Implementierung von IOS-fähigen Tools durch die Partner, diese steht jedoch nicht im Zentrum der ICF Aktivitäten. Als Kristallationspunkt wird das ICF Experten zusammenführen und Wissensaustausch ermöglichen, u. a. für Standardisierungsaktivitäten und die Projektinkubation (um die IOS weiterzuentwickeln und im Wissenschafts- und Industriekontext zu verankern).
Insbesondere unterstützt das ICF folgende, von den Partnern getriebene Aktivitäten:
- das Verwalten der IOS-Datenbank (aktuelle IOS-Version)
- Erweiterungen der IOS (durch Inkubation geförderter F&E-Projekte sowie Unterstützung entsprechender Aktivitäten außerhalb von Projekten)
- die Standardisierung der IOS (durch Kontakte zu den entsprechenden Standardisierungsgremien und Koordination der Standardisierungsaktivitäten)
- das Community Building
Dank des ICF kann ein komplexes, von Wissenschaft und Industrie gemeinsam getragenes Projekt wie die IOS langfristig verwaltet, weiterentwickelt und letztlich zum Erfolg geführt werden, so dass sich die IOS als offener, industrieller Standard etabliert. Das ICF ermöglicht konsistente, aktuelle Informationen, transparente Strukturen, abgestimmte Aktivitäten und die Möglichkeit, sich als Partner aktiv an der Weiterentwicklung und Gestaltung der IOS zu beteiligen.
Derzeit noch offene Fragen betreffen die personelle und finanzielle Umsetzung. Personell ist vorgesehen, das ICF durch eine Doppelspitze zu leiten. Inhaltlich sind Detailfragen zur Grenze zwischen Wissenschaft und wirtschaftlichen Interessen zu klären. Die noch offenen Anliegen werden mit allen wichtigen Partnern besprochen und in sorgfältigen Entscheidungen umgesetzt.
Das ICF wurde im Rahmen des Projektworkshops zu CP-SETIS Anfang Oktober in Madrid während der ARTEMIS Technology Conference 2016 vorgestellt. Im Workshop wurden Struktur, Umsetzung, Nutzen und die Bereitschaft sich im ICF zu engagieren in einer breiten Community besprochen.
In den weiteren Schritten werden Details mit den Partnern abgestimmt, ausgearbeitet, eventuell angepasst und Strukturen gefestigt. Bis zum Ende des Projektes CP-SETIS soll die Ankerinstitution für das ICF beschlossen und das ICF als Arbeitsgruppe in dieser Institution eingerichtet sein.
Mehr Informationen über die IOS und das Projekt CP-SETIS finden Sie in SafeTRANS News 1/2016.