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Autonome Systeme im gesellschaftlichen Kontext

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Autonome Systeme im gesellschaftlichen Kontext - Dem technologischen Wandel mit ganzheitlicher Forschung begegnen

Interdisziplinäre Forschung für Sicherheit und Entscheidungssteuerung autonomer Systeme wird in Oldenburg weiter ausgebaut.

Inhaltsverzeichnis

Intelligente, automatisierte Systeme versprechen mehr Sicherheit, Effizienz, Komfort und adressieren wichtige gesellschaftliche Herausforderungen, wie eine alternde Gesellschaft und ungleiche Bevölkerungsverteilung in Ballungszentren und ländlichen Gebieten. Bringt also eine hohe Automatisierung nur Vorteile? Das kommt darauf an! Und hängt wesentlich ab von der Ausgestaltung der technischen Systeme.

Zentraler Bestandteil (hoch-)automatisierter Systeme sind Cyber-Physical Systems, die informations- und softwaretechnische mit mechanischen Komponenten verbinden und dabei Datenaustausch und Steuerung über eine Verbindung wie das Internet in Echtzeit ermöglichen. Autonome Cyber-Physical Systems (ACPS) können z. B. Energiesysteme optimal steuern, im Straßenverkehr Unfälle vermeiden und bei chronischen Krankheiten die medizinische Versorgung erleichtern. Dank des enormen Anwendungspotenzials werden in Zukunft ACPS in vielen weiteren Bereichen Einzug halten und neue Lebensgewohnheiten für den unmittelbaren Nutzer und die Gesellschaft insgesamt ermöglichen. Und darin liegt auch eine Gefahr, denn welche Vorkehrungen für Kontrollierbarkeit, Transparenz und Datenautonomie sind für eine Gesellschaft, welche die Entfaltungsfreiheit des Einzelnen schützt und einen Mehrwert für die Allgemeinheit erzeugt, notwendig? Wann und warum treffen autonome Systeme Entscheidungen? Und wie kann in einem weiteren Schritt der Mensch die Entscheidung des Systems überstimmen? Wie können wir für selbstlernende Systeme, die möglicherweise Aufgaben ausführen ohne je explizit für diese programmiert worden zu sein, sicherstellen, dass deren Verhalten mit unseren gesellschaftlichen Normen und Überzeugungen übereinstimmt? Werden globale Firmen ihre eigenen Ziele und Werte durch die Ausgestaltung autonomer Produkte als ethische Norm durchsetzen können? Aufzuhalten ist der Fortschritt nicht und so geht es neben der Debatte, ob der Einsatz von automatisierten Systemen ethisch verantwortbar oder geboten ist, um Fragen der Entscheidungsfindung durch automatisierte Systeme. Grundlegend ist, dass die Funktionssicherheit gewährleistet ist und komplexe Entscheidungen der technischen Systeme für den Menschen nachvollziehbar und steuerbar gemacht werden.

Die Forschungspartner

Im Umfeld der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg formieren sich Forschungspartner, die sich autonomer Systeme in der technologischen Entwicklung sowie im gesellschaftlichen Kontext widmen. Wie dringend die Kopplung von technischer und gesellschaftlicher Forschung benötigt wird, zeigen u. a. das Dokument des Europäischen Parlaments für „Civil Law Rules on Robotics“1 sowie der Bericht der Ethikkommission zum automatisierten und vernetzten Fahren im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur. Dort wird gefordert: „Zur konkreten Umsetzung der hier entwickelten Grundsätze sollten in möglichst transparenter Form Leitlinien für den Einsatz und die Programmierung von automatisierten Fahrzeugen abgeleitet und in der Öffentlichkeit kommuniziert und von einer fachlich geeigneten, unabhängigen Stelle geprüft werden.“2
Zu den Partnern im Nordwesten, die bereits aktiv zusammenarbeiten, gehören neben der Universität Oldenburg das Forschungsinstitut für Informatik OFFIS, das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt DLR sowie das Kompetenzcluster SafeTRANS als Schnittstelle für die Vorbereitung von domänenübergreifenden Forschungsthemen. Weitere Partner aus der Wissenschaft und Industrie kommen je nach Vorhaben hinzu.

Autonomes Fahren ist ein oft betrachteter Anwendungsfall von automatisierten Systemen. In der Industrie beschäftigen sich weltweit diverse Player mit dem Thema, u. a. Hersteller, Zulieferer und Tech-Unternehmen. Design-Studien zeigen wie die Zukunft aussehen könnte. Grafik: © Rinspeed AG

Das Versprechen von Komfort und Sicherheit basiert auf intelligenten, vernetzten Systemen: den Automobilen untereinander (Car2Car) sowie mit der Infrastruktur (Car2X). Die Forschung wird von allen Beteiligten aus Industrie, Wissenschaft und öffentlichen Einrichtungen vorangetrieben. Grafik: © Daimler AG

Die Forschungspartner

Im Umfeld der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg formieren sich Forschungspartner, die sich autonomer Systeme in der technologischen Entwicklung sowie im gesellschaftlichen Kontext widmen. Wie dringend die Kopplung von technischer und gesellschaftlicher Forschung benötigt wird, zeigen u. a. das Dokument des Europäischen Parlaments für „Civil Law Rules on Robotics“1 sowie der Bericht der Ethikkommission zum automatisierten und vernetzten Fahren im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur. Dort wird gefordert: „Zur konkreten Umsetzung der hier entwickelten Grundsätze sollten in möglichst transparenter Form Leitlinien für den Einsatz und die Programmierung von automatisierten Fahrzeugen abgeleitet und in der Öffentlichkeit kommuniziert und von einer fachlich geeigneten, unabhängigen Stelle geprüft werden.“2
Zu den Partnern im Nordwesten, die bereits aktiv zusammenarbeiten, gehören neben der Universität Oldenburg das Forschungsinstitut für Informatik OFFIS, das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) sowie das Kompetenzcluster SafeTRANS als Schnittstelle für die Vorbereitung von domänenübergreifenden Forschungsthemen. Weitere Partner aus der Wissenschaft und Industrie kommen je nach Vorhaben hinzu.

Organisation und Struktur für interdisziplinäre Forschung 

Die Forschungsaktivitäten basieren auf bereits bestehenden Projekten, wie z. B. CSE: Critical Systems Engineering for Socio-Technical Systems, das von der Universität Oldenburg geleitet wird und an dem das DLR, OFFIS und SafeTRANS beteiligt sind. CSE wird von der VolkswagenStiftung über fünf Jahre gefördert und läuft im Sommer 2018 aus. Aufbauend auf CSE sind weitere Forschungsvorhaben geplant. Die Ziele der bestehenden und angedachten Forschungsvorhaben umfassen drei Bereiche:

  • autonome Systeme in ihren Fähigkeiten weiterzuentwickeln (Stichwort: selbstlernende Systeme), 
  • effektive und effiziente Testmöglichkeiten für diese Systeme zu generieren, um deren Sicherheit im Sinne der Funktions- (Safety) und Angriffssicherheit (Security) zu verbessern sowie
  • die gesellschaftliche Akzeptanz durch genügend Transparenz bei Entscheidungen autonomer Systeme zu verbessern und die automatisierten Entscheidungen verstärkt unter gesellschaftlichen Gesichtspunkten zu betrachten, einschließlich ethischer und rechtlicher Aspekte. 

Speziell zu gesellschaftlichen Fragen wurde im Rahmen von CSE ein Experten-Workshop veranstaltet, der als Grundlage zur Verständigung der Technik- und Geisteswissenschaften diente und die enge Verknüpfung der Wissenschaften bei Fragen im alltäglichen Einsatz zeigte (siehe SafeTRANS News 1/2017 „Cyber-Physical Systems im Spiegel von Ethik, Norm und Recht“). Dass die Wissenschaften rund um den Menschen für ein solch bedeutendes Thema, das enorme gesellschaftliche Umwälzungen mit sich bringt, unerlässlich sind, betont Jochem Rieger, Professor für Neurokognitive Psychologie an der Universität Oldenburg und Forschungsleiter bei CSE, im Interview ab Seite 12. 
Um zukünftig interdisziplinäre Forschungsvorhaben planvoll angehen zu können, wurde an der Universität Oldenburg ein möglicher Ansatz skizziert, der sich an den technischen Grundlagen von ACPS, Methoden zur Wahrnehmung und Strategien für die Mensch-Maschine-Interaktion orientiert und Wissenschaftler aus Informatik, Physik, Philosophie, Recht, Soziologie, Medizin und Politik einbezieht. Der Ansatz sieht fächerübergreifende Kompetenzen aus den Bereichen Systemtheorie, menschliche Kognition und Interaktion, soziale Kontexte und Prozesse sowie ACPS und deren Anwendungen vor und die Überführung der Kompetenzen in vier Forschungsfelder (siehe Abb. 1):

  • Design-Prinzipien und Methoden für selbsterklärende ACPS 
  • Vermittlung und Erörterung von Systembegründungen 
  • Ethische, sozial und rechtliche Prinzipien von selbsterklärenden ACPS
  • Innovationsförderung

Neben der hohen Interdisziplinarität sind Living Labs, in denen frühe Experimente durchgeführt, aber auch ausgereifte Konzepte getestet werden, ein wichtiger Baustein für Forschung mit hohem Anwendungsbezug (siehe Abb. 2). Die Living Labs bieten dank virtuellen und konkreten Real-Life-Umgebungen die einmalige Möglichkeit, Forschung lebensecht zu erproben. Im Schwerpunkt werden kritische Anwendungsdomänen, in denen Systemfehler dramatische lebensgefährdende oder ökonomische Folgen haben, betrachtet.

Abb. 1: So können interdisziplinäre Kompetenzen in Forschungsfeldern und Anwendungsszenarien in Living Labs zusammenwirken.

Living Labs

Die Living Labs konzentrieren sich auf fünf Anwendungsfelder: Energie, Medizin, Seefahrt, Automobil und Smart City.
Das Living Lab für den Bereich Energie bietet mit dem SESA Lab ein komplexes Energie-Management System. Das SESA-Lab (Smart Energy Simulation and Automation Laboratory) ist eine Echtzeit Co-Simulationsplattform der Universität Oldenburg und des Oldenburger Forschungsinstitut für Informatik OFFIS zum Testen von Stromsystemen der Zukunft, in denen eine Vielzahl heterogener Komponenten zusammenarbeiten.
Für den medizinischen Bereich stehen aktuell zwei Labor-Einrichtungen zur Verfügung: die IDEAAL-Labore des OFFIS sowie das CareLab der Universität Oldenburg. Mithilfe von Patientensimulationen können körpereigene Sensoren und Interaktionen von Mensch und Maschine beobachtet, kontrolliert und analysiert werden. Es lassen sich verschiedene medizinische Situationen in der Anästhesie, Intensiv- und Hauspflege sowie Notfallmedizin nachstellen. Darüber hinaus ist geplant, in früheren Betriebsräumen des Klinikums Oldenburg ein Simulationszentrum in enger Kooperation mit dem Universitätsklinikum aufzubauen.
Das maritime Living Lab untersucht sicheren Schiffsverkehr mit autonomen Systemen. Ein Beispiel dafür ist die Kollisionsvermeidung in der Deutschen Bucht. Das maritime Testfeld besteht aus einer virtuellen Simulationsumgebung sowie einem realen Umfeld in der Deutschen Bucht. Für die Erprobung und Demonstration stehen u. a. eine Referenzstrecke, ein Forschungshafen, eine mobilen Brücke, ein Überwachungssystem und das hochausgerüstete Forschungsboot „Zuse“ zur Verfügung. Das maritime Living Lab ist Teil der eMaritime Integrated Reference Platform eMIR, einer nationalen Industrie-Initiative für maritime Sicherheit.
Das automobile Living Lab erforscht hochautomatisiertes Fahren. Dazu wird die Applikationsplattform für intelligente Mobilität AIM in Braunschweig genutzt sowie das Testfeld Niedersachsen, welches AIM über den städtischen Verkehr hinaus auf die Metropolregion zwischen den Städten Wolfsburg, Braunschweig, Hannover und Hildesheim erweitert. AIM und das Testfeld Niedersachsen bieten die nötige Infrastruktur für eine breite Palette von Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten im Bereich intelligenter Mobilität, wie z. B. virtuelle Umgebungen und Fahrsimulatoren, reale Teststrecken in der Stadt und auf Autobahnen, eine Flotte von Forschungsfahrzeugen (insbesondere für automatisiertes und vernetztes Fahren), Technik zur Verkehrsbeobachtung etc. Alle diese Komponenten können kombiniert werden und ermöglichen vielfältige Anwendungen.
Das Living Lab Smart City ist in Oldenburg auf dem Gelände des ehemaligen Fliegerhorsts angesiedelt. Innerhalb eines neu entstehenden Wohn- und Geschäftsquartiers wird ein Areal von ca. 3,9 Hektar von der Stadt Oldenburg zur Erprobung von Smart City-Anwendungen zur Verfügung gestellt. Das Smart City Lab Fliegerhorst bietet ein einmaliges Testumfeld mit außergewöhnlichen Demonstrationsmöglichkeiten für intelligente Energie-, Mobilitäts- und Gesundheitsanwendungen.

Abb. 2:Die Living Labs im Nordwesten Deutschlands.

Mit vorwettbewerblicher Forschung fit für die Zukunft

Allein die Living Labs machen deutlich, dass für den Aufbau interdisziplinärer Forschung im Nordwesten auf eine sehr gute bestehende Forschungsinfrastruktur zurückgegriffen werden kann und neue starke Partnerschaften zwischen wissenschaftlicher Forschung, Industrie und öffentlichen Einrichtungen eingegangen werden. So kann ein einmaliges Forschungsumfeld entstehen, das interdisziplinär und domänenübergreifend die Ausgestaltung und Konsequenzen autonomer Systeme ganzheitlich erforscht. 
SafeTRANS unterstützt diese Prozesse indem im deutschsprachigen Raum Partner aus Industrie und Wissenschaft zu Themen rund um autonome Systeme zusammengeführt werden, z. B. in Arbeitskreisen oder bei Fachsymposien, und in einem weiteren Schritt vorwettbewerbliche Forschungsschwerpunkte in nationale und europäische Forschungsagenden einfließen (siehe Seite 21).

1 European Parliament. Civil Law Rules on Robotics. 2017
2 Ethikkommission. Automatisiertes und vernetztes Fahren.BMVI. Berlin. 2017